Dienstag, 4. November 2008

Scheingefecht des Borregaard-Managements

Nachdem die Gewerkschaften zusammen mit der Belegschaft des Zellulose-Werkes Riedholz gestern einen exemplarischen Sozialplan präsentieren konnte, erhebt das Borregaard-Management heute in einem Mediencommunique völlig unverständliche Vorwürfe. Die Sozialpartner nehmen dazu wie folgt Stellung:

  1. Das heutige Communique des Borregaard-Managements zu einer angeblich beschleunigten Einstellung der Produktion in Riedholz ist für die Sozialpartner nicht verständlich.
  2. Erstens sind die vom Management als Begründung angeführten Sicherheitsbedenken nicht nachvollziehbar. Es bestehen keinerlei Gründe, die zu einer veränderten Beurteilung der Sicherheitslage Anlass geben.
  3. Zweitens war bei Borregaard intern seit Wochen der 21. November als Stichtag für die Einstellung der Produktion bekannt. Die Vorverlegung dieses Termins um einige Tage (heute «in zwei Wochen») ändert am bereits bestehenden Schliessungsplan nichts.
  4. Die Unia hat gegen Borregaard bereits vor den Sozialplanverhandlungen am 29. Oktober Klage wegen Nichtgewährung der Konsultationsfrist eingereicht. Das Borregaard-Management war über diesen Schritt informiert. Die erste Gerichtsverhandlung findet am 10. Dezember um 10.00 Uhr im Richteramt Solothurn-Lebern statt.
  5. Die Behauptung von Borregaard, der Sozialplan sei unter der Bedingung unterzeichnet worden, «dass die Verhandlungsgemeinschaft auf ihre mehrmals angedrohte Klage … verzichtet», ist schlicht falsch. Der unterzeichnete Sozialplan (vgl. Beilage) sieht keinerlei Verzicht auf rechtliche Schritte vor. Im Gegenteil: er legt im Artikel 1 ausdrücklich fest: «Alle gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche der betroffenen Mitarbeitenden werden durch die Regelungen des Sozialplanes nicht berührt und sind gewährleistet.»
  6. Die Unia hat gegenüber Borregaard stets klar gemacht, dass sie an der Klage unabhängig von der Unterzeichnung eines Sozialplans festhalten wird – so auch in Anwesenheit des Borregaard-Verwaltungsratspräsidenten Jorn Sievertsen und des Verwaltungsratsmitglieds und Anwalts Urs Brugger. Es bestehen keinerlei schriftliche oder mündliche Abmachungen, die dazu im Widerspruch stehen.

>> hier kann der Sozialplan Borregaard 2008 heruntergaleden werden

>> hier gehts zur Medienmitteilung der Borregaard

>> Brief Beginn Kündigungsfrist

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3 Kommentare:

  1. Die Führung von Borregaard ist nun offensichtlich auch noch ein schlechter Verlierer. Da werden nun plötzlich Sicherheits-Bedenken vorgeschoben und es wird von vermehrten Berufsunfällen gesprochen. Es ist ja schon interessant, dass in einer solch kurzen Zeitphase solche Statistiken erhoben werden können. Auch das Argument, dass der Verhandlungspartner Abmachungen nicht einhalte ist an den Haaren herbei gezogen. Offensichtlich bekommen nun einige Personen bei Borregaard kalte Füsse oder haben besten Falls ein schlechtes Gewissen.
    Dann ist da aber noch ein anderes Thema, nämlich "unsere" Solothurner Regierung. Also so lange wie dieses Gremium jetzt bereits auf Tauchstation ist, könnte ich unmöglich die Luft anhalten. Es wird ihnen auch nicht gelingen so lange "unter Wasser" zu bleiben, bis sie im März 09 wieder gewählt sind. Wir werden dafür sorgen, dass die Stimmbürger auch dann noch an das gegenwärtige Verhalten der Regierung erinnert werden.

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  2. Ein guter Sozialplan ist besser als ein schlechter oder gar kein Sozialplan. Daran besteht kein Zweifel. Dennoch halte ich es für verfehlt, den Sozialplan bei Borregaard als grossen Sieg zu feiern. Eine geschlossene Fabrik, das sind für immer verlorene Arbeitsplätze. Es ist leider nicht gelungen, mit vereinten Kräften – wie in Bellinzona - diesen Kahlschlag zu verhindern. Da gibt es nichts zu beschönigen, wo auch immer die Gründe dafür liegen.

    Der Sozialplan versüsst die bittere Pille – mehr nicht. Nun beginnt für jeden Einzelnen das Spiessrutenlaufen: Bewerbungen schreiben, Absagen empfangen, Vorstellungsgespräche… Demütigungen, weil dich keiner mehr will. Es wird wieder jedem bewusst, was es heisst, Lohnabhängiger zu sein: abhängig davon zu sein, eine Anstellung zu finden, um wirtschaftlich zu überleben. Sonst droht der soziale Abstieg. Jeder für sich allein. Ein gemeinsamer Widerstand ist nicht mehr möglich. Der hätte vorher stattfinden müssen. Doch dafür ist es jetzt zu spät.

    Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, dass eine Gewerkschaft, die sich nur darauf versteht, mit den Totengräbern der Industrie gute Sozialpläne auszuhandeln, zum „Sterbebegleiter“ wird, zum „Seelsorger“, der den Angehörigen Trost spendet, zum Verwalter von Entlassungen, Arbeitslosigkeit und Elend. Noch selten sind die unterschiedlichen gewerkschaftlichen Strategien so offensichtlich gewesen wie in diesem Jahr: SBB-Werkstätten in Bellinzona und Borregaard in Riedholz. In Bellinzona hat der solidarische Kampf die Schliessung erfolgreich verhindert. Bei Borregaard ist die gleiche Gewerkschaft, deren Mitglied ich bin, auffallend schnell in jenes Fahrwasser eingeschwenkt, in dem sie seit Jahrzehnten zu Hause ist: Sozialplanverhandlungen. Auf diese Weise sind in den letzten dreissig Jahren Hunderttausende von Industriearbeitsplätzen sang und klanglos verschwunden.

    Es ist Zeit, die Lehren daraus zu ziehen. Sein oder Nichtsein, Officine oder Borregaard, das ist die Frage! Denn die nächste Betriebsschliessung wird nicht lange auf sich warten lassen.

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  3. Betriebsschliessungen sind umumgänglich, besonders wenn es von ganz oben herab bestimmt wird! Die Gewerkschaft kann nur das beste draus machen, mehr kompetenz steht ihnen nicht zu. Wenn wir von Arbeitsplätzen reden, die gerettet werden müssen, muss der liebe Vater Staat ans werk, sonst hat der kleine Verdiener mal wieder die Arschkarte gezogen! the live is a bitch

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