Freitag, 31. Oktober 2008

Einigung über Sozialplan

Am Freitagmorgen haben sich die Sozialpartner nach einem Verhandlungsmarathon auf einen Sozialplan für die Beschäftigten der Zellulosefabrik geeinigt. Die Ergebnisse
Die Ergebnisse der über 20-stündigen Verhandlungen werden am Montag im Rahmen einer Betriebsversammlung kommuniziert, teilt die Gewerkschaft Unia mit. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Sozialpartner Stillschweigen vereinbart.


Ein Mediensprecher von Borregaard Schweiz bestätigte auf Anfrage die Unterzeichnung des Sozialplanes. Die Verhandlungen dauerten von Donnerstagnachmittag bis Freitagmorgen.

Borregaard wird auf Ende Jahr die Zellstofffabrik in Riedholz endgültig schliessen. 339 Mitarbeiter erhielten per Ende Oktober die Kündigung. Aufgeschoben werden vorerst die Kündigungen für 75 Angestellte

Aufruf zur Zusammenarbeit an Solothurner Regierung

Arbeitnehmervertreter kritisieren die Passivität der Solothurner Regierung angesichts der drohenden Schliessung des Borregaard-Werkes in Riedholz. Der kommunikative Alleingang von Regierungsrätin Esther Gassler stösst bei den Sozialpartnern auf Unverständnis.
Die Vertreter der Belegschaft des Zellulosewerkes in Riedholz und die Gewerkschaften sind erstaunt über die heute im Solothurner Tagblatt erschienenen Äusserungen der Solothurner Regierungsrätin Esther Gassler (FDP). Sie halten diesbezüglich fest:


Die Soloturner Kantonsregierung hat sich bisher bei der Lösungsfindung im Zusammenhang mit der angekündigten Schliessung des Zellulose-Werkes sehr zurückgehalten. Ein erstes Treffen kam erst am 26. Oktober auf Drängen der Gewerkschaften zu Stande. An dem von den Gewerkschaften eingeforderten Runden Tisch am 13. November nahmen die Vertreter der Solothurner Regierung die bereits weit fortgeschrittenen Alternativprojekte offensichtlich nicht ernst. Bezeichnend ist, dass zwar die für die Arbeitslosenversicherung zuständige Amtsperson zu den Gesprächen beigezogen wurde, nicht aber die kantonale Wirtschaftsförderung.

Insofern wäre es zu begrüssen, wenn die verantwortlichen Regierungsstellen aktiver werden und mit zweckdienlichen Vorschlägen zu einer allseits akzeptablen Lösung beitragen. Die heute erschienenen Äusserungen von Frau Regierungsrätin Gassler allerdings sind in keiner Weise mit den Sozialpartnern abgesprochen worden und tragen dem aktuellen Stand der laufenden Verhandlungen nicht Rechnung. Die Sozialpartner erwarten von den Amtstellen eine frühzeitige und enge Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen. Kommunikative Alleingänge der Kantonsregierung sind sicher nicht zielführend.

Die Gewerkschaften und die Arbeitnehmervertreter konzentrieren sich nun auf eine möglichst schnelle Weiterführung der Sozialplanverhandlungen und auf die sozialpartnerschaftliche Prüfung der vorliegenden Alternativprojekte, welche die Rettung eines Teils der Arbeitsplätze möglich machen könne.


Aussagen von Esther Gassler im Solothurner Tagblatt vom 30.10.08

Montag, 27. Oktober 2008

Vom Industrieflaggschiff zum Scherbenhaufen


Im Jahre 2000 hatte Blocher die ehemalige Attisholz für 570 Mio. Franken erworben. Dieser Preis setzte sich im Wesentlichen zusammen aus einer Liquiditätsreserve von 400 Mio. und 170 Mio. für Anlagen und Immoblien. Zwei Jahre später verkaufte Blocher an die norwegische Borregaard und realisierte laut NZZ einen privaten Verlust von 10 bis 30 Mio. Franken, und zwar weil er die Axantis (Attisholz) zuvor aus der EMS-Chemie in sein Privatvermögen überführt hatte („den Ems-Aktionären sollte, so lautete die Absicht, aus dem Atisholz-Abenteuer kein Schaden erwachsen“). (Quelle:http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/article8dkut_1.421459.html?printview=true)
Wirtschaftlich hätte dieser Schachzug wenig Sinn gemacht, da in der Schweiz private Kapitalgewinne und –verluste nicht versteuert werden müssen. Es könnte daher in Wirklichkeit auch ganz anderes gewesen sein.
Nach Auskunft des ehemaligen Attisholz-Präsidenten Berg hat Borregard nur die Anlagen gekauft, nicht jedoch die Immobilien („Und Borregaard wollte die Immobilien beim Weiterverkauf nicht übernehmen. Ich denke, sie haben zwischen 100 und 120 Millionen Franken bezahlt.“) (Quelle:
http://bernerzeitung.ch/wirtschaft/unternehmenkonjunktur/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Blocher-war-der-weisse-Ritter/story/15877175)
Damit stellt sich die Frage, wem diese Immobilien heute gehören. Und zu welchem Preis sie Blocher seinerzeit verkauft hatte. Der angebliche private Verlust Blochers könnte sich so nämlich in einen satten Gewinn verwandelt haben.
Nach Angabe von Herrn Berg war die Liquiditätsreserve von 400 Mio. Franken ursprünglich für Investitionen geplant: „Wir wollten dieses Geld, das aus dem Verkauf von Tela-Hakle stammte, in Atisholz investieren.“. Dazu kam es jedoch nicht, da gegen Ende der 90er Jahre Spekulanten Appetit auf Attisholz bekommen hatten. Dazu Berg: „Vielleicht waren wir zu naiv, es traten schnell Investoren auf den Plan, die vor allem auf diese flüssigen Mittel aus waren. Die Firma war anfällig für unfreundliche Übernahmeversuche“. „Im Rahmen eines Übernahmekampfes“ (NZZ) kam Attisholz im Jahre 2000 dann zur EMS-Chemie, angeblich zur Ergänzung der eigenen Produktepalette. Blocher liess sich als „weisser Ritter“ feieren, in Wirklichkeit aber wurden keine Investitionen mehr getätigt und Attisholz zerschlagen: „Bei näherer Prüfung stellte sich dann allerdings heraus, dass die Atisholz-Produkte vor einer allfälligen Lancierung am Markt noch einiger Anpassungen - und Investitionen – bedurften“ (NZZ). Genau zu diesen „einigen Anpassungen und Investitionen“ waren eigentlich die 400 Mio. Liquiditätsreserve geplant gewesen. Stattdessen lancierte Blocher laut NZZ ein „Kostensenkungsprogramm“. Im Klartext (nach Angaben von Herrn Berg): „Aber schon unter Blocher gab es Lohnkürzungen, worauf die guten Leute die Firma verliessen. Dieser Verlust von Kenntnissen und Erfahrung hat sich über Jahre fortgesetzt.“
Nachdem die Liquiditätsreserven und anscheinend auch die Immobilien weg waren, ging Attisholz zu Borregard. Die NZZ schrieb dazu im Jahre 2002: „Die Norweger werden als «Wunsch-Eigentümer» von Atisholz bezeichnet. Ihre Branchenführerschaft im Bereich der Chemie-Zellstoffe soll das Überleben des Unternehmens sicherstellen.“ Es ist, wie wir inzwischen wissen, anders gekommen. Dazu Herr Berg: „…auch ich halte Missmanagement für eine der Ursachen. Von Seiten des Personals ist dies oft zu hören. Die Leute wussten gar nicht mehr, wie ihre Chefs aussahen. Auch gegen aussen hat Borregaard nicht gut kommuniziert. Man kann komplexe Vorgänge nicht über Mail und Computer steuern.“ Ob es nur Unfähigkeit (Missmanagement) war, oder ob Borregaard von Anfang an nur die sog. „Melkstrategie“ verfolgt hat (anscheinend war Attisholz ein ehemaliger Mitbewerber), das ist nicht einfach zu beurteilen. Immerhin schrieb die NZZ im Jahre 2000: „Wie in einer Pressemitteilung betont wird, ist es für das Unternehmen wichtig, dass das auf dem Atisholz-Areal geplante Grosssägewerk und das ebenfalls projektierte Holzkraftwerk der AEK Energie AG realisiert werden; damit, so heisst es, liessen sich Atisholz' Bedingungen zur Rohstoffbeschaffung wesentlich verbessern.“ Bekanntlich hat Borregaard dieses Projekt verhindert, und zwar mit dem Vorwand, den Platz für eigene Investitionen zu benötigen. In Wirklichkeit jedoch, weil sie nichts mehr investieren wollten. Dazu Herr Berg: „Das Holzverarbeitungszentrum scheiterte nicht am Platzbedarf von Borregaard, sondern an ihrem Unwillen, in dieses Projekt zu investieren.“
Zusammenfassend hat sich in Riedholz das gleiche Drama abgespielt wie an vielen anderen ehemaligen Industriestandorten: Ein traditionsreiches Industrieunternehmen mit gesunder finanzieller Grundlage (400 Mio. Liquiditätsreserve) wird zum Spielball von Finanzspekulanten. In diesem Fall von einem als Wolf im Schafspelz geschickt getarnten „weissen Ritter“, der die Öffentlichkeit zu täuschen wusste, so wie er das auch auf politischer Ebene als selbsternannter Vaterlandsretter getan hat. Nach zwei Jahren war das ehemals kompakte und gesunde Unternehmen ausgeweidet: Die 400 Mio. Liquiditätsreserve in der Tasche von Blocher, die Anlagen bei Borregaard. Und die Grundstücke?
Nun hinterlässt Borregaard einen Scherbenhaufen. Der Betrieb wird als „unrentabel“ eingestuft, da ohne vorgängige Investitionen keine Profite mehr realisiert werden können. 570 Mio. Franken scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben. Daher stellt sich die Frage nach der Bewertung des Unternehmens, und zwar im Jahre 2000 bei der Übernahme durch Blocher, im Jahre 2002 bei der Übernahme durch Borregaard und heute. Wo sind die während Generationen aufgehäuften Profite hingeflossen? Diese Frage drängt sich auf, zusammen mit den 23 Fragen im offenen Brief an Borregaard. Fragen, auf die es vermutlich keine Antworten geben wird, so dass man mit Bob Dylan singen könnte: „The answer, my friend, is blowin' in the wind.“
Was wird geschehen, wenn Borregaard keine oder nur ausweichende Antworten geben wird? Was geschehen sollte, ist längst klar. Das haben die Arbeiter in den Officine von Bellinzona und bei INNSE in Mailand vorgelebt. Die Frage ist vielmehr, ob die Kraft dazu vorhanden wäre oder genauer: Wozu wird die Kraft reichen? Was kann sinnvollerweise getan werden, um das Kräfteverhältnis zu Gunster der Arbeiter zu verschieben?

Borregaard-Belegschaft protestiert für Alternativprojekte und Sozialplan


150 Beschäftigte haben heute Morgen, 27.10.2008, das Zellulose-Werk in Riedholz verlassen und fordern an einer Spontandemonstration in Solothurn einen guten Sozialplan für alle sowie die ernsthafte Prüfung der vorliegenden Alternativprojekte.

Die Belegschaft der Zellulosefabrik Borregaard/Attisholz in Riedholz (SO) hat heute Morgen, 27.10.2008, an einer Betriebsversammlung einstimmig beschlossen, das ungenügende Sozialplanangebot der Borregaard-Direktion zurückzuweisen. Die Angestellten wehren sich dagegen, dass jene Mitarbeitenden vom Sozialplan ausgeschlossen werden sollen, welche zurzeit Alternativprojekte zur Totalschliessung erarbeiten.

In diesem Zusammenhang nahmen die Angestellten mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die drei Teilprojekte «Hefe Süd», «Elektrolyse» und «Ethanol» bereits soweit fortgeschritten sind, dass sie der Geschäftsleitung zur gemeinsamen Prüfung unterbreitet werden können. Mit diesen drei Projekten könnten ungefähr 80 Arbeitsplätze gerettet werden. I

m Anschluss an die Betriebsversammlung entschieden sich etwa 150 Angestellte an einer Spontandemonstration in Solothurn teilzunehmen, wo der Borregaard heute Morgen eine Medienkonferenz abhält. Die Beschäftigten fordern mit dieser Demonstration von der Direktion nochmals nachdrücklich einen fairen Sozialplan für alle Beschäftigten, die ernsthafte Prüfung der Alternativprojekte und Respekt für ihre Anliegen. Sie behalten sich zudem eine Klage gegen Borregaard vor, falls der Konzern sich weiterhin weigert, die Konsultationsfrist gemäss OR zu gewähren.

Für Rückfragen:
Corrado Pardini, Geschäftsleitungsmitglied und Branchenverantwortlicher Papier der Unia
Daniel Flury, Präsident Betriebsgruppe Attisholz SPV
Markus Baumann, Sektionssekretär der Unia

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Sozialplanverhandlungen vom 22. Oktober 2008 gescheitert

Sozialplanverhandlungen vom 22. Oktober 2008 gescheitert

An der ersten Verhandlungsrunde mit der Borregaard-Leitung über den Sozialplan wurde das Thema der Begünstigten des Sozialplans diskutiert. Die Arbeitnehmendenvertretung (ANV) und die Gewerkschaften forderten, dass sämtliche Mitarbeitenden mit Ausnahme des Managements in die Gunst des Sozialplans kommen sollen.

Die Borregaard-Direktion bestand jedoch darauf, einen Teil der Belegschaft vom Sozialplan auszuschliessen – nämlich all diejenigen, die im Projekt „Hefe Süd“ involviert sind (ca. 40 Mitarbeitende). Dies ist eine Unverschämtheit, welche die Verhandlungsdelegation der Arbeitnehmenden nicht akzeptieren kann! Die Direktion versucht, mit ihrem Vorgehen die Belegschaft zu spalten und das Projekt „Hefe Süd“ zur Aufgabe zu bringen.

Mit diesem Verhalten torpediert die Borregaard-Direktion nicht nur die Sozialplanverhandlungen, sondern auch das weit gediehene Projekt „Hefe Süd“. Mit diesem Vorgehen verhindert sie jeglichen konstruktiven Dialog und spitzt somit die Konfrontation bewusst zu.

Wir – Betriebsversammlung, ANV und Gewerkschaften – haben vereinbart, dass wir solidarisch einen gemeinsamen Weg gehen. An der nächsten Betriebsversammlung von nächstem Montag werden wir deshalb gemeinsam die weiteren Schritte beschliessen.

NB: Die Borregaard-Direktion hat uns ihren Sozialplanvorschlag unterbreitet. Sozialplan und zusätzliche Details finden sich im nächsten Artikel. Weitere Sozialplan-Exemplare sind bei Erich Tschanz (ANV) erhältlich.

Kommt zahlreich an die nächste Betriebsversammlung
vom Montag, 27. Oktober 2008,
um 9:00 Uhr und 14:15 Uhr in der Schällhalle.


P.s.: Solltet Ihr aufgefordert werden, Kündigungen entgegen zu nehmen und dafür zu unterzeichnen: Weigert Euch und verlangt eine schriftliche Zustellung per Post!

Dienstag, 21. Oktober 2008

Borregaard Attisholz


Unia-Geschäftsletungsmitglied Corrado Pardini betonte vor der auf dem Gemeindplatz von Luterbach (SO) versammelten Bevölkerung die Parallelen zwischen der aktuellen Finanzmarktkrise und dem Schliessungsentscheid des Borregaard-Managements. Er kritisierte die verantwortungslose Abzockermentalität der Topmanager, welche die Risiken beziehungsweise Kosten ihrer Strategien zur Profitmaximierung auf die einfachen Arbeitnehmenden und die Bevölkerung abwälzten. «Das ist nicht akzeptabel», so Pardini, «wir wollen retten, was noch zu retten ist».

Konkret forderte Pardini das Borregaard-Management und die Solothurner Regierung auf, endlich das bereits weit fortgeschrittene Projekt «Hefe-Süd» zu unterstützen, das mit einem Management-Buy-Out 40 Arbeitsplätze sichern würde. Wegen der unkooperativen Haltung der Borregaard-Verantwortlichen müsse nun aber mit dem Verlust von über 350 Arbeitsplätzen gerechnet werden. Darum forderte Pardini die unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen über einen «Sozialplan, der diesen Namen verdient».

Kritik an der Solothurner Regierung

In weiteren Reden zeigten Belegschafts-Vertreter auf, dass die Schliessung des Zellulose-Werkes die Existenzgrundlage vieler Familien in der Region zertört. Unia-Sektionssekretär Markus Baumann kritisierte insbesondere die Untätigkeit der Solothurner Regierung, welche kein ernsthaftes Interesse an der Rettung der Arbeitsplätze gezeigt habe. Auch die SP-Nationalrätin Bea Heim, Gewerkschaftsbundspräsident Giorgio Tutti und SP-Vizepräsidentin Fraziska Rot forderten in ihren Solidaritätsbotschaften die Solothurner Regierung auf, endlich die Interessen der Region und der Belegschaft gegenüber dem Konzern zu vertreten.